Vom 15.03.-14.04.02 zeigte die Galerie im Krakauer Haus eine Ausstellung mit Malerei, Plakaten und Zeichnungen des litauisch-polnischen Künstlers Stasys Eidrigevicius, der zu den größten Persönlichkeiten zeitgenössischer Kunst, nicht nur in Polen, gehört.

1949 in Litauen geboren und an der Akademie der Schönen Künste in Wilnius ausgebildet, lebt und arbeitet Stasys seit 1980 in Polen.
Er beschäftigt sich mit Malerei, Graphik, Photographie, Bildhauerei, Bühnenbild, und verbindet auf großartige Weise literarische Vorlagen mit seinen plastischen Arbeiten, wie anhand seiner zahlreichen Plakatgestaltungen, mit denen er seit Jahren international Furore macht, seiner Ex libris-Entwürfe und Buchillustrationen, besonders für Kinderbücher zu sehen ist.

Stasys wird in der Kunstwelt seit vielen Jahren mit dem Motiv der Maske verbunden, das sich durch sein gesamtes künstlerisches Schaffen zieht. Die Maske erlaubt es, Ängste zu verbergen und befreit die Welt zu beobachten. Die Masken mit Hilfe von Acryl-, Wasser- und Pastellfarben, andere wieder als großartig farbige, monochromatische Masken, die sich zu einer Parabel über das menschliche Schicksal zusammenfügen. 
“ Die kleinen Kupferstiche ermöglichten Grenzüberschreitungen in mehrfacher Hinsicht: Exlibri, stempelhafte Bildchen, die dazu dienen, den persönlichen Buchbestand kunstvoll zu markieren, unterlagen anders als Gemälde oder Skulpturen nicht der polnischen Zensur – Stasys Eidrigevicius konnte sie bereits in den 70er Jahren an Ausstellungen im Ausland verschicken. 

Eine Zuflucht abseits des genormten und staatlich gelenkten Kunstbetriebs boten sie jedoch auch inhaltlich. (…) 

In der sehenswerten Ausstellung „Blicke“, mit der das Nürnberger Kulturzentrum Krakauer Haus derzeit den litauisch-polnischen Künstler Stasys – so die Kurzform, unter der er bekannt wurde – vorstellt, nimmt ein Gemälde besonderen Bezug zur verflossenen Zeit der erschwerten Ausreise. Es ist das Pastell „Einreisedokument“. Wie durch Nebel, bleich hängt ein Passfotoartiges Porträt als Bild im Bild; eine Facette des Gesichts im Vordergrund, die allenfalls den Anschein erweckt, die Person tatsächlich abzubilden. Sieben Fotos waren für jedes Ausreise-Visum notwendig, erwähnt Stasys. Doch trotz derartiger inhaltlicher Bezüge will sich der 1951 in Litauen geborene und seit 1980 in Warschau lebende Maler, Bildhauer, Theatermacher und Plakatkünstler nicht aufs Politische reduziert sehen. Seine Malerei bezeichnet er als „nichts Überlegtes“, als Monolog mit sich selbst: „Der Tag bringt es im eigenen Licht.“


Das Unterschwellige an den weder eindeutig figurativ noch eindeutig abstrakt konstruierten Werken birgt den Reiz des Rätselhaften. Aus den 25 Pastellen, die in der Ausstellung hängen, sticht das Motiv maskenhaft starrer Augen heraus, die aus collageartig gemalten, mit dezenten Farben komponierten Köpfen blicken. Stasys weist darauf hin, dass eine wahre Maske unter den gemalten Gesichtern in seinen Werken versteckt sei. Auch seien sie im Kontext einer Definition von Claude Levi Strauss zu verstehen, wonach die Bedeutung der Maske nicht in dem besteht, was sie repräsentiert, sondern in dem, was sie ersetzt, wem sie sich widersetzt, was sie ein- beziehungsweise ausschließt. (…) Neben den Pastellen aus jüngster Schaffenszeit sind im Krakauer Haus vier Zeichnungen und 20 Plakate aus den letzten 20 Jahren zu sehen. 

Mit seinen Arbeiten als Plakatkünstler – ein Genre, das sich in Osteuropa länger als im Westen halten konnte, inzwischen aber auch dort vom Aussterben bedroht ist – brachte Stasys es zu internationalem Renommee. In den Sammlungen des Museum of Modern Art in New York, im Museum für Moderne Kunst Tokyo und im British Museum ist er mit Kunstplakaten, die für Symposien, Musikfestivals oder Theaterstücke entstanden sind, vertreten.“

Christian Mückl, Mittwoch, 20. März 2002, NZ Nr.67, FEUILLETON