© Róża Duda/Michał Soja
Foto: Kat Pfeiffer
12.04. 18 Uhr Vernissage mit Führung, Ausstellngsöffnungszeiten: 18-22 Uhr
13.04. 18 Uhr Kuratorinnenführung, Ausstellngsöffnungszeiten: 16-22 Uhr
14.04. 12 Uhr Brunch mit den Künstlern, Ausstellngsöffnungszeiten: 12-18 Uhr
KRAKERS 2019 – Zauberberg
Krakers, das Cracow Gallery Weekend, ist ein feststehender Termin im Kulturkalender der Stadt Krakau. Zusammen mit den Ideengebern und Organisatoren des Kunstwochenendes, Marcin Golebiewski und Malgorzata Golebiowska, veranstaltet das Krakauer Haus einen Ableger von Krakers in Nürnberg und wird somit Teil des sehr bekannten und beliebten Krakauer Events, dessen Energie sich in Nürnberg entfalten wird.
Das Thema der diesjährigen Ausgabe von Krakers ist „Skok“ (poln. für „Sprung“) – passend zum Sprung des Kunstwochenendes über deutsch-polnische Grenze! Das junge, vielversprechende polnische Kunst-Duo Róża Duda und Michał Soja, beide Absolventen der Akademie der Bildenden Künste in Krakau, wir sein Projekt Zauberberg präsentieren. Zauberberg ist ein Projekt der beiden Künstler für das Krakauer Haus und findet zeitgleich auch im Rahmen der Cracow Art Week statt. Für die Einwohner Nürnbergs wird es nicht nur die Gelegenheit sein – wenn auch nur auf symbolische Art – am Krakauer Event teilzunehmen. Zudem ergibt sich die Gelegenheit, dem Schaffen des vielfach national und international ausgezeichneten Künstlerduos zum ersten Mal zu begegnen. Im Rahmen der Ausstellung werden neue wie auch ältere Arbeiten gezeigt, die für ein paar Tage das Krakauer Haus in einen Raum jenseits von Zeit und Raum – ähnlich dem Internet – verwandeln.
In ihrem künstlerischen Schaffen konstruieren die beiden Künstler sehr bewusst einen Menschen der Gegenwart, für den die Zukunft und die Vergangenheit nicht existieren, sondern sich in einen Strom von Ereignissen verwandeln, die hier und jetzt erlebbar sind. Die Künstler interessieren sich für die über allen individuellen Wünschen und Träumen schwebende Subjektivität und das Streben nach kompletter Autarkie als Gegenpol zur kollektiven Koexistenz und Abhängigkeit zum Verhältnis von Macht und Stärke. Diese Identität ist für sie ein aus verschiedenen – oft miteinander im Widerspruch stehenden – Bestandteilen der globalisierten Welt aufgebautes Konstrukt ohne universelles Muster.
Die Arbeiten der Künstler greifen die komplizierte und vieldeutige Kondition unserer Wirklichkeit auf, in der die Gegenwart nichts weiter ist, als die ständige Modifikation und Umprogrammierung vergangener Ereignisse.
Man darf sich auf ein spannendes Kunstprojekt freuen, das das gesamte Krakauer Haus und auch seine Besucher ein Wochenende lang aus dem festen Rahmen von Raum und Zeit löst!
Die Zusammenarbeit mit dem Cracow Gallery Weekend ermöglicht Krakers den Sprung aus der Krakauer Umgebung hin zum Nürnberger Publikum, und somit auch den Sprung über festgelegte territoriale Grenzen hinweg.
Kuratiert wird die Ausstellung von Paulina Olszewskaund Kasia Prusik-Lutz. Paulina Olszewska war bereits im letzten Jahr in als Kuratorin und Ideengeberin von 24h tätig – einer überwältigend erfolgreichen Kunstaktion, bei der das gesamte Krakauer Haus von deutschen und polnischen Künstlern besetzt wurde.
Fotografen: Róża Duda/Michał Soja
Kuratorinnen: Paulina Olszewska / Kasia Prusik-Lutz
Veranstalter: Kulturzentrum Krakauer Haus
Kooperation: Krakers
Krakers, das Cracow Gallery Weekend, ist ein feststehender Termin im Kulturkalender der Stadt Krakau. Zusammen mit den Ideengebern und Organisatoren des Kunstwochenendes, Marcin Golebiewski und Malgorzata Golebiowska, veranstaltet das Krakauer Haus einen Ableger von Krakers in Nürnberg und wird somit Teil des sehr bekannten und beliebten Krakauer Events, dessen Energie sich in Nürnberg entfalten wird.
Paulina Olszewska: Fangen wir von vorne an: Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Róża Duda: Am Anfang haben wir uns sehr viel gegenseitig bei der Realisierung unserer weniger komplizierten und technisch einfacheren Projekte geholfen. Wir stellten fest, dass diese Art der Arbeit uns sehr entgegen kommt. Unsere weiteren Projekte profitierten sehr von unseren Gesprächen und dem Austausch der Ideen. So stellten wir eines Tages fest, dass unsere sporadische Zusammenarbeit im Laufe eines natürlichen Prozesses zu einer „Vollzeit-Zusammenarbeit“ wurde.
Michał Soja: Insgesamt ist unser erstes großes gemeinsames Werk der Film „Ich bin der Sohn eines Bergmannes“, den wir im Rahmen der Ausstellung „Zauberberg“ im Krakauer Haus in Nürnberg präsentieren. Wie sind bestimmt noch kein voll ausgereiftes Künstler-Duo, aber von der anderen Seite haben wir schon recht viel Erfahrung im gemeinsamen Arbeiten.
Das nächste Filmprojekt werden wir ebenfalls gemeinsam realisieren, so kann man sagen, dass unsere Zusammenarbeit ganz gut läuft.
Paulina Olszewska: Bedeutet das, dass auch jeder an eigenen Projekten arbeitet?
Michał Soja: Unsere Projekte haben ein derartiges Ausmaß angenommen, dass so wirklich für eine individuelle Tätigkeit keine Zeit mehr bleibt. Ich habe in der Zwischenzeit versucht an etwas eigenem zu arbeiten, habe dies aber nicht beendet und konnte einfach das individuelle Arbeiten nicht mit der Arbeit im Duett vereinbaren.
Róża Duda: Mir fällt es schwer, es mir vorzustellen, dass jeder für sich arbeitet. Unsere gesamte Aufmerksamkeit widmen wir dem für uns Allerwichtigsten, der gemeinsamen Arbeit. Und dann kommt auch schon das nächste Projekt und es ist keine Zeit für eigene Projekte nebenbei. Ich habe ein paar kleinere Projekte nebenbei geschafft, aber ich bin zufriedener mit den Arbeiten, die wir gemeinsam schaffen. Ich habe den Eindruck, dass diese, die in einem längeren Prozess entstanden sind, die Ergebnisse unserer Gespräche und Gedanken sind und wertvoller sind. Ich bin der Meinung, dass die Arbeit mit Michal für mich einen höheren Sinn hat. Im organischen Sinne wächst sie mit uns, mit dem was wir lesen und mit dem wir uns umgeben, über was wir nachdenken und über was wir diskutieren.
Paulina Olszewska: Wie sieht der Prozess eurer Arbeit aus?
Michał Soja: Ich sehe es als gemeinsames „Gehirn-Gewitter“. Die Blitze kommen aus verschiedenen Richtungen und wir haben keine fest zugewiesenen Rollen, die unsere Aufgabenbereiche definieren. Und das sieht man, so denke ich, in unseren Arbeiten. Sie sind gesättigt, ja übersättigt mit verschiedenen Themen. So, als würden zwei Personen eine gegebene Idee ständig mit ihren eigenen Überlegungen bombardieren. Unsere Arbeiten sind sehr dicht, vielleicht gerade deswegen, weil wir zu zweit an ihnen gearbeitet haben.
Róża Duda: Manchmal kommen wir nicht ohne Streit aus, weil wir beide der Meinung sind, dass eine Idee von mir oder von Michal stammt. Die Grenzen, welche Idee von wem ist, verschwimmen und wir haben keine eindeutige individuelle Autorenschaft. Auf der anderen Seite wäre keine unserer Arbeiten entstanden, wenn wir sie einzeln gemacht hätten. Dabei geht es noch nicht einmal um technische Fragen, sondern um die intellektuellen. Szenische Elemente unserer Projekte entstehen ebenfalls gemeinsam und werden nicht als einzelne Werke betrachtet. Uns liegt sehr viel daran, ein Gesamt-Arrangement unserer Arbeiten zu schaffen, um dieses im Inneren einer Galerie komfortabel zu präsentieren, damit es eine originelle Art der Rezeption erhält. So wie es im Krakauer Haus sein wird.
Paulina Olszewska: Woher kam die Idee zu „Ich bin der Sohn eines Bergmannes“, dem Projekt, das ihr im April in Nürnberg zeigen werdet?
Michał Soja: Die Idee kam von Róza, die auf die Ermittlungen zu einem Verbrechen aufmerksam wurde. Über neun Jahre waren im Fluss Wisla Leichname verborgen und so haben uns die konservierenden Eigenschaften des Wassers beeindruckt.
Róża Duda: Daher entstand die Idee, ein Flussbett mit Objekten zu versehen, die das Wasser konserviert und von denen man paradoxerweise sagen kann, dass das Wasser sie am Leben hält. Als nächstes tauchte die Idee eines überschwemmten Bergwerks auf und so entwickelte sich das Projekt auf eine selbst für uns unerwartete Art und Weise.
Paulina Olszewska: Wie konkret? Entstand die Arbeit als Zusammenschluss verschiedener Elemente oder hattet ihr das Konzept eines kohärenten Narrativs im Sinn?
Róża Duda: Wir lasen in dieser Zeit Bücher von Zygmunt Bauman und dachten viel über das Konzept einer fluiden modernen Zeit nach. Dies hatte Einfluss auf die Gestaltung der Idee und der Art, auf die wir verschiedene Inhalte miteinander verbanden. Beim Besuch der Documenta in Athen fand ich ein Hotel, das in unsere Arbeit Eingang fand. Alle Elemente unseres Filmes verbindet die Gemeinsamkeit, dass sie in der Entropie, in der Trägheit verortet sind. Sie sind das Ergebnis einer aggressiven Akkumulation.
Michał Soja: …oder der Nebenprozess einer Anhäufung des Kapitals (?) Es ging uns außerdem um die Veränderungen in Verbindung mit der technologischen Entwicklung, dem kollektiven Gedächtnis, dessen Identität. Die Höhle/der Bergwerksstollen erschien uns als grundlegendes Bild, um über dieses Thema nachzudenken. So taucht auch das platonische Motiv der Welt der Ideen auf. Es handelt sich natürlich um das Thema der technologischen Entwicklung und seiner Verhaftung in diesem Falle im Medium Wasser.
Es taucht ebenfalls die Transformation der Wirklichkeit durch das Anwenden verschiedener Medien auf sowie das Versehen dieser Wirklichkeit mit neuen Bedeutungen. Die Wirklichkeit ist fantasmagorisch, imaginativ, gefüllt mit Wünschen und Sehnsüchten, die untrennbar mit dem in Informationsnetze eingetauchten Sein sind, mit Fake News und alternativen Sichtweisen auf die Geschichte. Die Intensivierung dieser Phänomene beobachten wir nicht nur in Polen, sondern auch in Europa und auf der ganzen Welt. Als wir am Film arbeiteten, wurde gerade Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt und so war es eine Zeit beunruhigender Veränderungen.
Róża Duda: Der Held unseres Films ist jeder Zuschauer. Dieser unternimmt eine Wanderung durch all die ruinierten Orte. Er vergleicht sich mit dem Erbe der Vergangenheit: Der Moderne und vielleicht sogar der Post-Moderne. Daher kommt auch der Titel des Films, der absurd erscheint.
Paulina Olszewska: Woher genau kommt der Titel?
Róża Duda: Das ist der Titel des Bildes eines Bildes im Geist des sozialistisch-realistischen Künstlers Derren. Wir erfuhren von ihm durch das Buch „Künstliche Höllen. Partizipierende Kunst und die Politik des Publikums“ von Claire Bishop (Original-Titel: Artificial Hells), in dem er zitiert wird. Diese Arbeit wurde durch den britischen Künstler Jerremy Deller in seinem Projekt „The Battle of Orgreave Archive (An Injury to one is an Injury to All)“ verwendet, in dem er die Kämpfe in Orgreave thematisiert. Es handelt sich um sehr drastische Zusammenstöße von Bergleuten mit Polizisten im Jahr 1984. Deller präsentierte in der Tate Modern ein von ihm geschaffenes Archiv dieses Streiks, in dessen Rahmen „unser“ Bild präsentiert wurde.
Michał Soja: Mit Blick auf den Inhalt bezieht er sich auf die postindustrielle Realität. Dieser Sohn eines Bergarbeiters ist auf andere Art in die ökonomischen Zusammenhänge verstrickt. Er gehört nicht mehr zur Klassengesellschaft, sondern ist Teil der globalen Welt, in der er sich bewegt. Seine Wirklichkeit ist viel verzerrter. Die Dinge sind nicht mehr klar und eindeutig, die Wirklichkeit ist voller Täuschungen und Projektionen, manipulierter Informationen. Er funktioniert innerhalb einer Informations-Gesellschaft.
Paulina Olszewska: Euren Film betrachtend, hat man den Eindruck, dass er viele unterschiedliche zeitliche Perspektiven einnimmt. Durch die Gegenwärtigkeit des Films, die in gewissem Sinne unsere Zukunft ist, betritt man in die Vergangenheit. Gleichzeitig hat die Gegenwart einen stark postapokalyptischen Charakter. Kann man das Narrativ so verstehen?
Róża Duda: Im Arbeitsprozess an diesem Projekt habe ich an eine postapokalyptische Landschaft gedacht. Ich habe mir überlegt, wie diese wohl aussehen könnte. Später entwickelten sich diese Bedeutungen noch weiter. Aber im Sinne der reinen Interpretation sind Michal und ich möglicherweise unterschiedlicher Meinung.
Michał Soja: Ich habe mich nicht auf postapokalyptische Interpretationen konzentriert. Für mich sind es ständige Erzeugnisse eines heruntergekommenen Geistes, der nach Fortschritt und stetiger Weiterentwicklung sucht. Wie zu einem gewissen Teil der Geist der Zivilisation, der nach mehr sucht. Auf seiner Reise gelangt er in futuristische Korridore, trifft absurde Gegenstände und gelangt schließlich an diesen paradiesischen, geschlossenen Ort, der mit optimistischen Inhalten gesättigt ist. Es ist ein möglicher Weg des Bewusstseins.
Paulina Olszewska: Könntet ihr eure Arbeit definieren?
Michał Soja: Es kommt mir zu früh vor, um von irgendwelchen Definitionen zu sprechen. Zwei, drei Filme mehr und dann können wir darüber nachdenken.
Róża Duda: Zudem bemühen wir uns, nichts zu definieren. Wir denken uns keinen Namen für unser Duett aus und definieren auch nicht die Art der Zusammenarbeit. Derzeit arbeiten wir mit 3D-Grafik, aber wir sehen sie als Werkzeug um eine Geschichte zu erzählen und nicht zum Festlegen von Medium und Form an sich. Dafür ist es noch nicht an der Zeit, das überlassen wir den Kuratoren und Kritikern.
Paulina Olszewska: Zum Schluss: An welchem Projekt arbeitet ihr derzeit?
Michał Soja: Unser nächstes Projekt lehnt sich an einer Geschichte aus einem Buch an, einer als Geschichte erzählten Biografie. Wir konzentrieren uns auf die Person des Polen Faustin Wirkus, der Bergmann war und in die USA auswanderte. Wirkus schaffte es in den 20er Jahren zu den Marines und nahm an der Besetzung Haitis teil – was jedoch wichtiger ist: Er wurde König der Insel La Gonave, die in der Nähe von Haiti liegt. Diese koloniale Geschichte zeigt, wie Wirkus in der Lage war, sich seiner ihm gegebenen Identität zu entledigen und eine neue anzunehmen. In ihm vereinen sich viele Identitäten: Er war Pole, Amerikaner, Soldaten und am Ende ein auf der Insel von den anderen akzeptiertes Mitglied der Gesellschaft. Er hinterließ das Buch „The White King of La Gonave“, eine Biografie, die seine Geschichte erzählt. Wir sehen in dieser Persönlichkeit als Anlass, eine Geschichte zu schaffen, in der wir selbst sehr viel spekulieren. Die Arbeit erhält die Form eines filmischen Essays.
Róża Duda: Wir denken, dass wir noch ein Jahr an diesem Projekt arbeiten werden und es 2020 präsentieren können.
Paulina Olszewska: In diesem Fall drücke ich die Daumen und warte auf das Ergebnis eurer Arbeit!
Danke für das Gespräch!
Übersetzung: Katharina Uziel